Populär wurde das Community-Building in Wirtschaftsunternehmen in den letzten Jahren im Marketing und hier speziell im Umfeld der sozialen Medien. Steigende Werbekosten führten zu einer Priorisierung von und dem Wunsch nach mehr KundInnenenbindung. Ein Weg, KundInnen zu loyalisieren, ist ihre Einbindung in sogenannte Customer Communities. Doch das Community-Building birgt noch viel mehr Potenzial. Wenn es um Veränderungsdynamik in Unternehmen geht, können Corporate Communities oder Communities of Change eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere dann, wenn die Communities von der Unternehmensleitung initialisiert und gefördert werden und Mitarbeitende aus allen Bereichen daran mitwirken, die Interessen der Community umzusetzen.
Der Begriff „Community“ stammt aus dem lateinischen Wort „communitas“, das sich auf eine Gruppe von Menschen bezieht, die gemeinsame Interessen, Werte, Ziele oder Gegebenheiten teilen. Wir reden hier also über eine Interessengemeinschaft, die sich nicht nur hinter bestimmten Absichten versammelt, sondern auch versucht, ihre Anliegen zu realisieren.
Das heißt, die Community ist aktivistisch und erzeugt gerade dadurch ihre Wirkung. Corporate Communities oder Communities of Change richten ihren Fokus auf die Realisierung von internen Zielen. Gut aufgestellt und mit Unterstützung der Unternehmensleitung können sie ein kraftvolles Instrument für unternehmensweite Veränderungsprozesse sein. Sie lösen das Problem fehlender Bereichsintegration durch ihre Netzwerkstruktur und eignen sich daher besonders gut für ganzheitliche Veränderungsthematiken wie interne Kommunikation, Wissensmanagement, kultureller Wandel, Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder Markenimplementierung. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.
Ganz zu Beginn stellen sich die beiden Fragen: Warum scheitert die klassische Unternehmensstruktur mit ihren zentralisierten Entscheidungsprozessen, funktionalen Abteilungen und hierarchischen Berichtslinien so oft an ganzheitlichen Veränderungsprozessen und was macht die Netzwerkstruktur einer Community an dieser Stelle besser? Um es gleich vorwegzunehmen, mir geht es in diesem Artikel um eine rein organisatorisch-kommunikative und identifikatorische Betrachtung dieser beiden Systeme und ich bin der Meinung, dass weder das eine noch das andere idealtypisch ist, sondern das gerade im Zusammenspiel von klassischer und zusätzlichen Netzwerkstrukturen eine ganz neue Veränderungsdynamik entstehen kann.
Die weitestgehend isoliert voneinander agierenden Fachabteilungen mit ihren kommunikativen Einbahnstraßen über die jeweilige Bereichsführung haben eine Tendenz zu einer rein fachspezifischen und weniger strategischen Auseinandersetzung mit Veränderung. Verändert wird nur, was das Ergebnis und die Prozesse der Fachabteilung optimiert. Aber nicht das, was übergeordnet wichtig für alle Bereiche des Unternehmens ist. Der kommunikative Flaschenhals über die Führung schafft künstliche Umwege, eine hierarchiebedingte Zurückhaltung und entbindet die Bereichsmitarbeitenden gleichzeitig von ihrer Verantwortung, eigenständig gesamtunternehmerische Veränderung zu gestalten. Hinzu kommen die hinlänglich bekannten Faktoren: Mangelnde Identifikation mit den guten Ideen anderer Fachabteilungen (Not-Invented-Here-Phänomen) und mit Top-Down-Führungsentscheidungen sowie die allgemeine Überforderung der Unternehmensleitung bei zentralisierten Entscheidung- und Steuerungsprozesse in einem zunehmend komplexen und volatilen Geschäftsumfeld.
„Aufbau und Management einer Community sind keine Selbstläufer.“
Die Community hingegen, wenn sie als unternehmensweites Veränderungsinstrument eingeführt wird, muss man sich als Interessengemeinschaft vorstellen, die in Form eines Netzwerks mit allen Bereichen des Unternehmens verwoben ist. Ihre Mitglieder sollten aus allen Hierarchiebereichen rekrutiert werden und sind im besten Fall intrinsisch motiviert hinsichtlich der Ziele der Community. Sie vertreten die Interessen der Gemeinschaft dahingehend, dass sie direkt in ihren Bereichen und Teams wirken. Das heißt, sie kommunizieren dort die Anliegen der Community und versuchen bereichsinterne Projekte in die Wege zu leiten, welche mit den Zielen der Community, die wiederum mit den Zielen der Unternehmensstrategie übereinstimmen, einhergehen. Um die Relevanz und Wirkung der Community zu stärken, ist es von großem Vorteil, dass ihre InitiatorInnen das Mandat und die Rückendeckung von der Unternehmensleitung bekommen. Aufbau und das Management einer Community sind jedoch keine Selbstläufer. Für eine volle Funktionstüchtigkeit braucht sie eine Legitimation, einen Findungsprozess, Führung und engagierte Mitglieder, sowie Ressourcen in Form von Budget und Zeit. Ihre Mitglieder müssen das Gefühl haben, dass Ihr Einsatz von der Führung gesehen und wertgeschätzt wird. Für sie muss es sich neben der hohen persönlichen Identifikation auch lohnen, dabei zu sein und sich konstruktiv einzubringen. Eine finanzielle Kompensation kann, muss aber nicht gegeben sein. Nur so kann die Community ein Erfolg werden.
"Wertschätzung ist ein zentraler Treiber für Community-Engagement."
Hier ein Beispiel: Ein großes Mineralölunternehmen hat sich im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie ehrgeizige Dekarbonisierungsziele gesetzt. Unternehmensweit werden operativ bereits zahlreiche Energiewendeprojekte geplant und umgesetzt. Allerdings ist deren Bekanntheitsgrad im Unternehmen aufgrund der fachlichen und räumlichen Trennung (Standortdiversität) sehr niedrig. Zusätzlich gibt es in Teilen der Belegschaft Zweifel daran, dass die Energiewendemaßnahmen einen relevanten Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens leisten können. Um den Kenntnisstand über die unternehmensweiten Dekarbonisierungsprojekte zu verbessern, die konstruktive Auseinandersetzung mit Energiewendemaßnahmen zu fördern und somit Vorurteile, Ängste und Bedenken abzubauen, wurde eine bereichsübergreifende Energiewende-Community ins Leben gerufen. Diese Community hat ihren Auftrag von der Unternehmensleitung bekommen und wird regelmäßig von einem Leadership Board hinsichtlich ihrer Aktivitäten beraten. Ihre Mitglieder werden aus allen Bereichen des Unternehmens gesourct oder sie bewerben sich aktiv für eine Mitgliedschaft in der Community, was ihr Engagement in der Community noch verstärkt. Als BotschafterInnen ist ihre Rolle in erster Linie eine kommunikative, jedoch kümmert sich ein Kernteam zusätzlich um die Organisation von Kommunikationsanlässen. Zu ihren Aktivitäten zählen ExpertInnengespräche, Lunch & Learns, Webcasts, Wissenspakete, Events, Ausflüge und Aktionswochen. Alle Aktivitäten werden dokumentiert, im internen sozialen Netzwerk und auf SharePoint geteilt. Die Community ist in den letzten Jahren stetig gewachsen und konnte ihren Wirkungs- und Bekanntheitsgrad in allen Bereichen steigern. Sie ist aktuell ein wichtiges Instrument für den kulturellen und ökologischen Wandel der Organisation.
Key Take-Outs:
- Klassische Unternehmensstrukturen mit zentralisierten Entscheidungen, funktionalen Abteilungen und hierarchischen Berichtslinien kämpfen mit unternehmensweiten Veränderungen aufgrund ihrer organisatorisch-kommunikativen und identifikatorischen Isolation
- Gut aufgestellt und mit Unterstützung der Unternehmensleitung können Communities ein kraftvolles Instrument für unternehmensweite Veränderungsprozesse sein
- Bereichsübergreifende Communities beschleunigen aufgrund ihrer Netzwerkstruktur Veränderungsdynamik in sonst isolierten Bereichen und im Gesamtunternehmen
- Der Einsatz von Communities eignet sich insbesondere für strategische und unternehmensweite Initiativen wie interne Kommunikation, Wissensmanagement, Kulturwandel, Digitalisierung, Markenimplementierung, etc.
- Aufbau und Management von Communities müssen professionell durchgeführt und mit Ressourcen unterstützt werden, damit sie ihre Wirkung entfalten können