Es ist gerade schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine Zeitung zu lesen, ohne auf einen Artikel über KI zu stoßen. Wir befinden uns auf dem Höhepunkt des Hypes. Es handelt sich jedoch nicht nur um ein Buzzword, sondern um einen echten technologischen und sozialen Wandel. Die KI betrifft alle Branchen, alle Berufe und damit auch die Art und Weise, wie Unternehmen und ihre Führungskräfte kommunizieren. Auf dieses Thema wollen wir uns hier konzentrieren. Die Auswirkungen sind zahlreich, die Vorteile vielfältig, aber die Nachteile – insbesondere im Hinblick auf die Originalität der Inhalte – sind nicht zu übersehen. Dieser letzte Punkt erfordert Lösungen, die wir am Ende dieses Artikels vorstellen möchten.
Heute gibt es 635 KI-Tools, die sich mit dem Verfassen von Texten beschäftigen. Viele Marketingfachleute und Führungskräfte haben das außerordentliche Potenzial dieser Tools entdeckt und nutzen sie täglich, um E-Mails, Produktbeschreibungen und LinkedIn-Artikel zu verfassen, einen Text oder ein Meeting zusammenzufassen, ihren SEO zu steigern und Kampagnen zu entwerfen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Zeitersparnis, Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen, vor allem aber eine Nutzung rund um die Uhr an jedem Tag der Woche.
ChatGPT ist kein Murmeltier. Es nimmt keinen Urlaub. Es ist flexibel wie eine Katze, gehorsam wie ein Hund, stark wie ein Ackergaul, hat ein Gedächtnis wie ein Elefant und ist schlau wie ein Fuchs. KI-Schreibwerkzeuge haben vor allem den außerordentlichen Vorteil, dass sie nicht an einer Krankheit leiden, die alle Menschen plagt: der Angst vor dem leeren Blatt. Sie haben keine Schreibblockaden. Nie. Sie sind sogar vielleicht ein bisschen fabulierend: wenn sie es nicht wissen, erfinden sie eine Antwort.
Aber eigentlich ist es falsch zu sagen, dass ChatGPT, Writesonic oder Claude „schreiben". Sie schreiben keine Sätze, sie berechnen sie. Sie definieren das wahrscheinlichste Wort auf der Grundlage des vorherigen Wortes. Vor allem aber „verfassen“ sie nicht, sondern erstellen Texte auf der Grundlage von bereits geschriebenen Texten. Dies wirft nicht nur erhebliche urheberrechtliche Fragen auf. Es weist auf einen Punkt hin, der für uns von entscheidender Bedeutung ist: die mangelnde Originalität der erstellten Inhalte. KI-Tools wurden bereits entwickelt, einige, um Plagiate zu erkennen (AI Detector), andere, um sie zu verbergen (AI Undetectable). Diese „vermenschlichen" Texte, indem sie Fehler hinzufügen, welche bekanntlich… menschlich sind.

Originalität ist kein Nebenthema, sondern ein Schlüsselmerkmal von Markeninhalten. Dies wirft die Frage nach der Markenidentität selbst auf. Für Marken ist die Brand Uniqueness (Marken-Einzigartigkeit) der heilige Gral und die Brand Parity (Marken-Austauschbarkeit) die Hölle. Originalität hilft den Verbrauchern, sich im Angebotsdschungel zurechtzufinden, reduziert also die Komplexität und die geistige Belastung und schafft gleichzeitig Markenpräferenz, die sehr schwer zu erreichen ist.
Leider muss man feststellen, dass die Inhalte immer austauschbarer und die Botschaften immer repetitiver werden. Der Konformismus scheint die Köpfe der Vermarkter und Werbetreibenden erfasst zu haben. Die LinkedIn-Plattform ist zu einer oberflächlichen Agora geworden, auf der sich Klischees türmen. Das liegt wahrscheinlich an den Spielregeln, die der Algorithmus der Plattform vorgibt und die dazu führen, dass man eher Trends folgt, als neue Blickwinkel und originelle Inhalte zu finden.
Originalität ist kein Nebenthema, sondern ein Schlüsselmerkmal von Markeninhalten.
Dies ist insbesondere für Führungskräfte bedauerlich. Denn die Sprache ist das wichtigste Instrument der Führungskräfte, sozusagen ihre Mastertechnologie. Wenn sie sich zu sehr auf Bots verlassen, laufen sie Gefahr, die Kraft ihrer Botschaften zu verwässern. Eine im Juni 2024 veröffentlichte Studie von McKinsey[1], in der Marketingmanager nach ihren Erwartungen befragt wurden, ergab eine überraschende Erkenntnis: Das Thema Nummer eins ist kreativer Content. Der Trend hat sogar einen Namen: „Die Renaissance der Originalität". Natürlich ist es schwer, originell zu sein, sei es im Marketing oder in den Reden bzw. Vorträgen, die Sie als Manager oder Führungskraft halten. Nur wenige Führungskräfte schaffen es wirklich, der Uniformität zu entkommen und einen eigenen Tonfall zu finden. Das erfordert Mut, aber vor allem Arbeit.
Das Problem, sich blind auf die KI-Schreibwerkzeuge zu verlassen, besteht vor allem darin, dass man eine wichtige Eigenschaft des Schreibprozesses übersieht: Schreiben ermöglicht es einem, zu wissen, was man denkt, und seine Ideen zu ordnen. Schreiben bedeutet in erster Linie, sich Zeit zum Nachdenken zu nehmen. Die berühmte „Thought Leadership" erfordert in der Tat Zeit. Deshalb rufen wir dazu auf: Think outside the Bot!

Liebe Führungskräfte, wenn Sie uns lesen, entscheiden Sie sich für die Originalität. Das bedeutet nicht, dass Sie auf KI-Tools verzichten müssen, ganz im Gegenteil, sondern nur, dass Sie sich nicht einfach systematisch auf sie verlassen sollten. Den Robotern fehlt das, was eine gute Kommunikation und einen guten Text ausmacht: die menschliche Erfahrung. Es sind Ihre Erfahrungen, Ihr Hintergrund, Ihre Vision und Ihre Emotionen, die Ihre Kommunikation authentisch, einzigartig und fesselnd machen. Nur Sie können diesen Sinn für kulturelle und emotionale Nuancen einbringen.
Zum Schluss noch ein paar Tipps und Ideen, wie Sie Ihre Beiträge und Texte so gestalten können, dass sie dem entsprechen, was Sie sind:
Tipp 1: KI-Tools sind perfekt, um Ihnen beim Brainstorming zu helfen, aber nicht, um die zündende Idee zu finden. Die Idee ist und muss Chefsache bleiben. Überlassen Sie es nicht den Robotern, das nächste Thema für Ihren Beitrag oder Text zu finden. Roboter sind ideal für folgende Aufgaben: Recherchen zu einem bestimmten Thema durchführen, Absätze umformulieren, Synonyme finden. Aber Vorsicht bei Zitaten und Zahlen.
Tipp 2: Verzichten Sie auf Perfektionismus. Das bedeutet, dass Sie nicht nur über Ihre fertigen und erfolgreichen Projekte berichten sollten. Bevorzugen Sie Inhalte, die über noch laufende Projekte berichten, über Verzögerungen, Zögern, kleine Siege und kleine Enttäuschungen. Dieser Realismus ist ein Zeichen des Respekts für Ihre Leser und lässt Sie authentisch und souverän wirken.
Tipp 3: Verwenden Sie nur Ihre eigenen Beispiele und Argumente und verlassen Sie sich nicht auf Roboter. Die Einzigartigkeit Ihrer persönlichen Marke beruht auf Ihrer eigenen Erfahrung, Ihrer Geschichte. Nehmen Sie konkrete, reale Beispiele, keine einseitigen LinkedIn-tauglichen Fakten. Erzählen Sie, wie sich Ihre realen Mitarbeiter und Kunden verhalten und ausdrücken. Leser lieben menschliche Geschichten, in die sie sich hineinversetzen und Empathie empfinden können und aus denen sie für sich selbst lernen können.
Tipp 4: Sprechen Sie darüber, wie Sie sich seit Ihrem Amtsantritt als Führungskraft verändert haben. Was sehen Sie anders und warum? Was hat sich in Ihrer Branche oder Ihrem Unternehmen verändert? Und vielleicht erinnern Sie sich auch ab und zu daran, wie Ihre Geschichte in diesem bestimmten Unternehmen begonnen hat, warum Sie sich ihm angeschlossen oder es gegründet haben. Die besten Geschichten sind die der Anfänge.
[1] https://www.mckinsey.de/publikationen/2024-06-10-state-of-marketing